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UN-Schutzzone: Bevölkerungsschutz vor Großmachtsinteressen

 

UN-Schutzzone: Bevölkerungsschutz vor Großmachtsinteressen

Engin Eroglu, Europaabgeordneter FREIE WÄHLER




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Die verabschiedete Resolution des Europäischen Parlaments, die sich gegen die völkerrechtswidrige Intervention der Türkei in Nordsyrien ausspricht, und eine Schutzzone unter Aufsicht der UN fordert, ist ein erster wichtiger Schritt zum nachhaltigen Schutz der lokalen Bevölkerung vor Ort. In diesem Kontext ist ein ausgewogener Dialog auf Augenhöhe zwischen den involvierten Akuteren zentral, der auch die legitimen Sicherheitsinteressen der Türkei in der Region, die sich aus ihrer geografischen Nähe zu Syrien ergeben, miteinschließt. Eine Schutzzone, als Bereich, der durch Vereinbarung von Parteien eines bewaffneten Konflikts ausgewiesen wird und in dem militärische Kräfte keine Angriffe durchführen dürfen, muss jedoch in Absprache und nach Planung mit der UN erfolgen und darf nicht als „Sicherheitszone“ von Militärplanern in der Türkei eingerichtet werden.

Im Angesicht der türkischen Militäroffensive erklärt Engin Eroglu, FREIE WÄHLER Europaabgeordneter, dass Deutschland und die EU mehr Verantwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik übernehmen müssen: „Die Einrichtung einer internationalen Schutzzone, die tatsächlich darauf abzielt die Menschen in Syrien zu schützen, ist begrüßenswert. Jedoch brauchen wir gerade aus Deutschland verantwortungsvolle, konkrete Vorschläge, die auch in Abstimmung mit dem Außenministerium getroffen werden. Deutschland muss in dieser Frage geeint, in Abstimmung mit unseren europäischen Partnern, auftreten. Wie steht es bei der von AKK angesprochene „Sicherheitszone“ um die den Einsatz der Bundeswehr oder gar den Umfang der Truppen? Soll Syrien als Ganzes stabilisiert werden oder nur der nördliche Teil des Landes?“

Eine Schutzzone sollte unter Schirmherrschaft der UN stehen, um an Resolution 2254 zum Friedensprozess in Syrien anzuknüpfen und muss die Akteure vor Ort sowie die Türkei, Russland und den Iran, welche starken Einfluss auf Baschar al-Assad haben, miteinbeziehen. Die Türkei und die USA haben sich in der Vergangenheit beide für Schutzzonen in Syrien ausgesprochen, dabei haben die türkische und amerikanische Seite ihre Politik nicht immer aufeinander abgestimmt und sich dafür entschieden, mit gegnerischen Partnern vor Ort zusammen zu arbeiten. Internationale Krisen verlangen aber nach multilateralen Ansätzen und einem ständigen Dialog. Um eine sichere Zone in Nordsyrien zu schaffen, wäre eine 'realistische' Option eine Partnerschaft zwischen den Großmächten. Dazu sollten die Europäischen Staaten den Sicherheitsrat erneut anrufen, um ein geeignetes Mandat zu erwirken und als ersten Schritt eine Flugverbotszone einzurichten.

Die Kämpfe in den Städten entlang der türkisch-syrischen Grenze zwangen bereits circa 300.000 tausend Menschen zur Flucht, vor allem in den benachbarten Irak. Dabei werden nicht nur Menschenleben direkt durch eskalierende Gewalt gefährdet, sondern auch zentrale Infrastruktur zerstört wie beispielsweise die Wasserstation in al-Hasaka, die zuvor fast eine halbe Million Menschen in der Stadt versorgt. Solche Entwicklung bringen schwerwiegendere humanitäre Problem für die Bewohner der Region zu mit sich und können nicht Teil einer Operation sein, die proklamiert Frieden stiften zu wollen. Es ist zentral international abgestimmte Mechanismen zur Deeskalation der Gewalt zu etablieren und sichere Zugänge für Hilfsorganisationen wie UNICEF zu ermöglichen, die durch ihre Hilfestellungen versuchen zu den Zivilisten in Not zu gelangen. Die UN muss endlich eine entmilitarisierte Zone zum Schutz von Zivilisten unter ihrer Leitung aufstellen. 8 Jahre des Krieges in Syrien haben deutlich gemacht, dass es keine militärische Lösung für den syrischen Konflikt gibt.

Der Schutz der Zivilbevölkerung im Nordosten Syriens muss dabei oberste Priorität haben. Eine weitere humanitäre Katastrophe, die neue Fluchtbewegungen nach sich zieht wie wir sie bereits beobachten können muss unbedingt entgegengewirkt werden. Die Frage ist zudem was mit den Geflüchteten passiert, die aus großen Teilen Syriens im Norden des Landes Schutz vor dem syrischen Regime gesucht haben, da das Gebiet unter kurdischer Führung der SDF als relativ stabil galt.

Auch muss die Inhaftierung der ca. 10.000 IS-Kämpfer gewährleistet werden. Bereits jetzt sind rund 100 von ihnen geflohen. Eine Massenflucht, wie schon 2013 im Irak, würde die Terrororganisation, die trotz ihrer Schwächung und Gebietsverlust im Untergrund weiter existiert, nachhaltig stärken. Als Produkt der kriegerischen Auseinandersetzungen und Destabilisierung der Region konnte die dschihadistische Bewegung und mit ihr die Terrororganisation des IS im Kontext der staatlichen Instabilität in Syrien und dem Irak ab 2011 zu einem Akteur werden, der international agiert. Die Entstehung von Machtvakua und Instabilität müssen daher unbedingt vermieden werden.

Die Bereitschaft der Türkei Millionen Geflüchtete im Rahmen des EU-Türkei Pakts von 2016 aufzunehmen ist eine überaus beachtenswerte Leistung und muss weiterhin unterstützt werden. Jedoch dürfen diese Bemühungen nicht als Legitimation für Pläne genutzt werden, eine (unfreiwillige) Massenrückführung von 2 Millionen mehrheitlich Sunnitisch-Arabischen Syrern in ein überwiegend kurdisches Gebiet, das weitere zahlreiche Minderheiten wie Jesiden und Christen beheimatet, durchzuführen. Eine unfreiwillige Rückführung, die die Sicherheit von Geflüchteten nicht garantieren kann widerspricht dem Völkerrecht und bei einer vorhandenen Bevölkerung von ca. 4 Millionen Menschen würde dieser Akt die lokale Demografie verändern, das Risiko örtlicher Radikalisierung erhöhen und zu weiteren Spannungen führen.

„Durch die militärische Operation der Türkei wurde bereits jetzt das Leid der dort lebenden Bevölkerung verschlimmert, die Fortschritte im Hinblick auf die Stabilisierung Syriens und der Kampf gegen den IS untergraben und letztendlich die gesamte Region nachhaltig geschädigt“, so Eroglu weiter.

Konflikte wie in Syrien zeigen uns immer wieder, dass der UN-Sicherheitsrat handlungsunfähig ist, wenn die ständigen Mitglieder bei großen Fragen der Weltpolitik gespalten sind. Seit Jahren ist es somit nicht möglich sich für Syrien auf eine Resolution zu einigen, die dem Leid der Bevölkerung Abhilfe schafft. Deutschland, welches für 2019/2020 nichtständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats ist, muss sich deshalb verstärkt für internationale Zusammenarbeit und die Reform des Sicherheitsrats einsetzen.